Hintergrund
: Wozu brauchen Menschen die Kunst und die Musik? Befragungen zeigen, dass nicht der ästhetische Genuss allein, sondern das Wohlbefinden, das Entstressen, das Überwinden von Krisen und Traumata und schließlich die Achtsamkeit auf sich selbst und auf andere weit im Vordergrund stehen. Jüngere Forschungen stützen die Hypothese, dass künstlerische Aktivitäten adjuvante therapeutische Potenziale freisetzen und über kürzere und längere Zeiträume Heilungsverläufe positiv beeinflussen können. Die musikalisch-künstlerischen Aktivitäten bieten über eine Ästhetisierung des Alltags in einer Behandlungseinrichtung für psychisch kranke Kinder und Jugendliche hinaus die Chance, den Patient*innen zu mehr Wohlbefinden und Lebensqualität im Sinne des Empowerments und Bewältigungsstrategie zu verhelfen.
Seit einigen Jahren besteht eine Kooperation zwischen der Interuniversitären Einrichtung Wissenschaft & Kunst der Paris Lodron Universität Salzburg und Universität Mozarteum Salzburg und der Christian-Doppler-Klinik, insbesondere der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, um Patient*innen eine Annäherung an Kunst zu ermöglichen und Kunst als eigenständige Methode in einem erweiterten Behandlungsverständnis zu erforschen. Resultat daraus ist u. a. die groß angelegte Studie „Art ist a doctor“. Zusammen mit weiteren Partnerinstitutionen (Universität Wien, Musikum Salzburg, Wiener Sängerknaben) sollen dabei die psychologischen und neurochemischen Antworten auf musikalische Aktivitäten (Singen) bei klinischen und gesunden Bevölkerungsgruppen unter Kindern und Jugendlichen mit einem Schwerpunkt auf psychisch Kranke und sozial Unterprivilegierte erhoben werden. Zudem startete an der Interuniversitären Einrichtung Wissenschaft & Kunst eine öffentliche Vortragsreihe und interuniversitäre Lehrveranstaltung „Musik und Medizin“.
Spot on MozART im kinder- und jugendpsychiatrischen Kontext: Das geplante Vorhaben "How to find myself through Mozart: Gelebte Kunst mit Salzburger Jugendlichen" schließt an die Chorstudie "Art is a doctor" an und verbindet es mit der Spot On MozART-Initiative. Das Ziel des Projektes ist es, jungen Menschen (zwischen 13–18 Jahren; ca. 30 TeilnehmerInnen) mit psychischen Problemen über die Arbeit mit Mozarts Werk eine Annäherung an Kunst in einer musikalisch-szenischen und innovativen-medialen Form zu ermöglichen. Gerade in der derzeitigen Situation aufgrund der COVID-19-Krise haben sich neue mentale Belastungen für Kinder und Jugendliche ergeben und das kreative Erleben war eingeschränkt. Durch ein 5-monatiges Angebot von künstlerischen Workshops (Tanz/Bewegung, Theater/Regie, Textil/Kostüm, musikalischer Bereich/Instrumente, Film) und einem fortlaufenden wöchentlichen Chor an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie rund um das Thema "Idomeneo / inhaltliche Bezüge zu Themen der Gegenwart" sollen Schaffensprozesse angeregt werden, durch die Körper und Psyche in positiver Weise beeinflusst werden sollen.
Wir gehen von Mozarts Person aus, der als Mensch von Krise und Genie geprägt war. Diese Krisen und Genialität können als ein historisch übergreifendes Phänomen der Jugend gesehen werden. Spaß an der Musik und am selber Erschaffen werden im Vordergrund stehen. Die Musik Mozarts kann uns einen Weg aus der Krise bahnen. Das Eintauchen in eine kreative Handlung bringt – zumindest für die Dauer der kreativen Tätigkeit – Vergessen, Ablenkung und womöglich sogar Begeisterung an der Tätigkeit. Dabei geht nicht um die Bewertung der Leistung.
Resultat
: Das gesamte Projekt wird filmisch-medial begleitet, wobei sowohl der kreative Entstehungsprozess zum gewählten Thema Teil des Films sein wird, durch die filmischen Aktivitäten mit den eigenen Mitteln eine szenische Ausarbeitung in Bezug auf Setting, Aufnahme-Technik und filmische Leitbilder mitzugestalten. Außerdem werden die Jugendlichen in die Produktion und Distribution visueller Materialien (kurze Videoclips und Fotos aus den Workshops) auf den von ihnen genutzten sozialen Plattformen (Instagram) involviert. Die dezentrale Struktur dieser Kanäle kann dem Projekt und seinen filmischen Ergebnissen zu einer noch größeren Reichweite bei sehr unterschiedlichen Publikumsschichten verhelfen.
Besonderheit des Projekts
: Das Projekt hat in vielerlei Hinsicht einen innovativen Ansatz:
1) Gerade Jugendliche konsumieren über die sozialen Medien stark verdichtete Inhalte. Die Generation lebt sozusagen eine Ästhetik der Verdichtung. Hier wird oftmals konsumiert und nur selten aktiv produziert. Wir wollen durch das Projekt aktive Kunst im Zeitgeist fördern und ermöglichen, dass die Jugendlichen zu Schaffenden werden.
2) Der Zugang zu "klassischer" Musik ist nur wenigen oftmals sozial-ökonomisch privilegierten Jugendlichen möglich. Unser Projekt erschafft durch die mediale innovative Umsetzung die Verwirklichung musikalischer Akkulturation in sozial schwachen Bevölkerungsschichten und somit neue Aufwertung Mozarts Musik. Es ermöglicht durch die Oper als Kommunikationsmedium eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft und einen Blick auf die Aktualität von Themen, die Menschen seit jeher begleiten und mit welchen sich gerade junge Menschen auseinandersetzen (wie zum Beispiel Selbstfindung vor dem Hintergrund der Anforderungen der Gesellschaft). Neue emotionale Situationen werden in historisch kontextueller Umrahmung erlebbar.
3) Laien werden von erfahrenen und namhaften KünstlerInnen und Lehrenden begleitet, Selbstentfaltung zu entwickeln und die Oper im filmischen Kontext des Kurzformats darzustellen.
4) Unser Projekt versucht Jugendliche als Zielgruppe und Zielkonsumenten von Spot on MozART zu gewinnen, die Brücke zwischen der Professionalität und den Laien, zwischen der Jugend und dem kunstinteressierten Zielpublikum zu schlagen. Mediation vom Produzenten zum medialen RezipientInnen wird möglich. Das Prinzip der Ermächtigung erlaubt trans- und intergenerationale Sprache durch Kunst.
Wissenschaftliche Begleitung:
Das Projekt wird anhand der Studie „Art is a doctor“ wissenschaftlich begleitet, um die Auswirkung des aktiven Musizierens (Chorsingen) auf die psychische Befindlichkeit und die biologischen Reaktionen zu untersuchen.
Darüber hinaus entsteht aus dem Projekt ein PhD, welcher die Effekte von geplanten kreativen Workshops auf das Selbstwertgefühl, die Emotionsregulation und psychische Befindlichkeit untersucht.
Außerdem planen wir ein begleitendes Photo- und Textbuch für Eltern, Fachärzte, LehrerInnen zur Vorstellung der Arbeit mit Kunst bei psychisch belasteten Kindern und Jugendlichen zu erstellen.