Abstract
Bezugnehmend auf die Frage nach dem möglichen Verhältnis zwischen Pädagogik und Sorge, möchte
dieser Beitrag einen theoretischen Entwurf versuchen, in dem Sorge als ein konstitutives Element in der
pädagogischen Beziehungsgestaltung ausgelotet wird.
Ziel des Beitrags ist es reziproke Beziehungsweisen (Adamczak, 2017) als grundlegendes Element des
pädagogischen Denkens und Handelns (Lechner, 2022) zu rekonstruieren und daraus Grundlinien einer
spezifischen Form von persönlichen, sorgenden Beziehungen im pädagogischen Kontext aus
feministischer Perspektive nach zu zeichnen.
(1) Dafür bietet es sich an, die seit den 1980er Jahren stattfindende internationale Care-Debatte im
Hinblick auf Sorgeverhältnisse systematisch zu analysieren. Die relationstheoretischen
Rekonstruktionen von Sorgeverhältnissen verweisen sowohl auf die reproduktive wie auch auf eine
transformative Funktion (Adamczak 2017). Daran anknüpfend soll Sorge oder „Da-Seins-Fürsorge“
(Maurer, 2020) als Brücke zwischen feministischer Gesellschaftskritik (vgl. Azurra/Bhattacharya/Fraser
2018) und pädagogischem Denken und Handeln (Windheuser, 2022) herausgearbeitet werden. Damit
spüren wir der reziproken Qualität pädagogischer Beziehungen (Prengel 2019) in feministischen
Überlegungen mit gesellschaftskritischen Anspruch nach (bspw. Wartmann 1980, Fraser 2017, Segato
2022, Lux 2022).
(2) Im Anschluss an diesen erarbeiteten Blick auf Sorgeverhältnisse kann die konstitutive
Angewiesenheit auf Andere sowie die Reziprozität in zwischenmenschlichen Beziehungen konkretisiert
werden: „Aus feministischer Perspektive ist Sorgen im Sinne von Fürsorglichkeit und In-Kontakt-sein mit
den jeweils Sorgenehmenden unabdingbar für personenbezogene sozialarbeiterische, erzieherische
und pädagogische Interaktionen“ (Brückner, 2022, S. 49). So kann die Verflechtung von „Pädagogik und
Sorge“ (nicht nur) als utopischer Gegenentwurf zu den allgegenwärtigen Kommodifizierungsprozessen
im sozialen Feld dienen, denn „nur eine Welt der Bindungen und der Gemeinschaftlichkeit [setzt] einer
Verdinglichung des Lebens Grenzen“ (Segato, 2021, S. 23).
(3) Auf eine relationstheoretische Relektüre einer dialektischen Grundlegung der Pädagogik aufbauend
(Schleiermacher, 2017) wird der Grundgedanke der Zuwendung von einer erfahreneren Person zu einer
anderen, meist jüngeren oder unerfahrenen, innerhalb der Disziplin nachverfolgt. Mit Hannah Arendt
(2016) lässt sich diese Zuwendung als gemeinsames politisches Handeln begreifen. Die Praxis reziproker
Beziehungsweisen ist somit Ausgangspunkt, praktischer Weg und eine mehr oder weniger genaue
Antizipation eines bestimmten Zieles (bspw. „caring pedagogy“ Vázquez Verdera & López Frencés,
2011)
Diese Grundfigur einer sorgenden Beziehung mündet in ein Verständnis der Pädagogik, das auf
Momente der wechselseitigen Anerkennung beruht, ohne dabei gesellschaftliche hierarchische
Machtverhältnisse auszublenden. Dieses reziproke Verständnis von zwischenmenschlichen
Beziehungsweisen wird als – im Kern feministisch gedachtes – konstitutives Element pädagogischen
Denkens und Handelns ausgeführt. Eine solche Perspektive auf das Verhältnis zwischen Pädagogik und
Sorge birgt aus unserer Sicht auch enormes Potential um Veränderungen festgefahrener Verhältnisse
anzustoßen, denn: „Soziale Transformation bedeutet Verschiebung von Beziehungen.“ (Admaczak,
2017, S. 245).
dieser Beitrag einen theoretischen Entwurf versuchen, in dem Sorge als ein konstitutives Element in der
pädagogischen Beziehungsgestaltung ausgelotet wird.
Ziel des Beitrags ist es reziproke Beziehungsweisen (Adamczak, 2017) als grundlegendes Element des
pädagogischen Denkens und Handelns (Lechner, 2022) zu rekonstruieren und daraus Grundlinien einer
spezifischen Form von persönlichen, sorgenden Beziehungen im pädagogischen Kontext aus
feministischer Perspektive nach zu zeichnen.
(1) Dafür bietet es sich an, die seit den 1980er Jahren stattfindende internationale Care-Debatte im
Hinblick auf Sorgeverhältnisse systematisch zu analysieren. Die relationstheoretischen
Rekonstruktionen von Sorgeverhältnissen verweisen sowohl auf die reproduktive wie auch auf eine
transformative Funktion (Adamczak 2017). Daran anknüpfend soll Sorge oder „Da-Seins-Fürsorge“
(Maurer, 2020) als Brücke zwischen feministischer Gesellschaftskritik (vgl. Azurra/Bhattacharya/Fraser
2018) und pädagogischem Denken und Handeln (Windheuser, 2022) herausgearbeitet werden. Damit
spüren wir der reziproken Qualität pädagogischer Beziehungen (Prengel 2019) in feministischen
Überlegungen mit gesellschaftskritischen Anspruch nach (bspw. Wartmann 1980, Fraser 2017, Segato
2022, Lux 2022).
(2) Im Anschluss an diesen erarbeiteten Blick auf Sorgeverhältnisse kann die konstitutive
Angewiesenheit auf Andere sowie die Reziprozität in zwischenmenschlichen Beziehungen konkretisiert
werden: „Aus feministischer Perspektive ist Sorgen im Sinne von Fürsorglichkeit und In-Kontakt-sein mit
den jeweils Sorgenehmenden unabdingbar für personenbezogene sozialarbeiterische, erzieherische
und pädagogische Interaktionen“ (Brückner, 2022, S. 49). So kann die Verflechtung von „Pädagogik und
Sorge“ (nicht nur) als utopischer Gegenentwurf zu den allgegenwärtigen Kommodifizierungsprozessen
im sozialen Feld dienen, denn „nur eine Welt der Bindungen und der Gemeinschaftlichkeit [setzt] einer
Verdinglichung des Lebens Grenzen“ (Segato, 2021, S. 23).
(3) Auf eine relationstheoretische Relektüre einer dialektischen Grundlegung der Pädagogik aufbauend
(Schleiermacher, 2017) wird der Grundgedanke der Zuwendung von einer erfahreneren Person zu einer
anderen, meist jüngeren oder unerfahrenen, innerhalb der Disziplin nachverfolgt. Mit Hannah Arendt
(2016) lässt sich diese Zuwendung als gemeinsames politisches Handeln begreifen. Die Praxis reziproker
Beziehungsweisen ist somit Ausgangspunkt, praktischer Weg und eine mehr oder weniger genaue
Antizipation eines bestimmten Zieles (bspw. „caring pedagogy“ Vázquez Verdera & López Frencés,
2011)
Diese Grundfigur einer sorgenden Beziehung mündet in ein Verständnis der Pädagogik, das auf
Momente der wechselseitigen Anerkennung beruht, ohne dabei gesellschaftliche hierarchische
Machtverhältnisse auszublenden. Dieses reziproke Verständnis von zwischenmenschlichen
Beziehungsweisen wird als – im Kern feministisch gedachtes – konstitutives Element pädagogischen
Denkens und Handelns ausgeführt. Eine solche Perspektive auf das Verhältnis zwischen Pädagogik und
Sorge birgt aus unserer Sicht auch enormes Potential um Veränderungen festgefahrener Verhältnisse
anzustoßen, denn: „Soziale Transformation bedeutet Verschiebung von Beziehungen.“ (Admaczak,
2017, S. 245).
Originalsprache | Deutsch |
---|---|
Band | 2024 |
Nummer | 20 |
Fachbuch | Jahrbuch für erziehungswissenschaftliche Geschlechterforschung |
Publikationsstatus | Veröffentlicht - 2024 |
Systematik der Wissenschaftszweige 2012
- 503 Erziehungswissenschaften